Bestandsarchitektur
Jedes Gebäude erzählt uns eine Geschichte. Indem wir es verändern, schreiben wir einen Teil dieser Geschichte mit – als EigentümerIn, als NutzerIn, als PlanerIn, als HandwerkerIn. Der Gebäudebestand ist unser baukulturelles Erbe und viele Gebäude sind Teil unserer eigenen, persönlichen Geschichte. Wird ein Gebäude abgebrochen, ist es für die Nachwelt für immer verloren.
Als Architektin ist es mir ein großes Anliegen, respektvoll mit dem Bestand umzugehen und ihn zeitgemäß zu nutzen. Die Erhaltung und Verbesserung des Gebäudebestandes spielt auch eine ganz wesentliche Rolle für die Lösung der ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit.
Barrierefrei
Hinsichtlich Barrierefreiheit liegt der Bestand oft weit hinter den Qualitäten von Neubauten zurück. Selbst mit baulichen Änderungen kann nicht immer eine vollständige Barrierefreiheit erreicht werden. In diesem Fall wird die bestmögliche Lösung gesucht und es gibt viele Möglichkeiten, auch im Bestand die Barrierefreiheit wesentlich zu verbessern. Da Normen und andere Richtlinien im Bestand nicht immer vollständig eingehalten werden können, sind kreative Lösungen gefragt.
Mini & Mikro
Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema Mini- und Mikrowohnungen und bin überzeugt, dass auch mit wenig Platz sehr hohe räumliche Qualitäten geschaffen werden können. Gerade im urbanen Raum kann damit sicher ein wesentlicher Beitrag zur Minderung der hohen Wohnungsnachfrage geleistet werden, wenn man es wagt von gängigen Wohnvorstellungen abzuweichen.
Öko? Bio? Nachhaltig? Was bedeutet das für den Bestand?
Sanieren – thermisch / energetisch: Unsanierte Bestandsbauten verbrauchen im Vergleich zu Neubauten oft ein Vielfaches an Energie. Dieser Verbrauch kann durch gut geplante Maßnahmen deutlich reduziert werden. Einerseits durch eine Verbesserung der Gebäudehülle, wie das Dämmen von Bauteilen oder die Sanierung bzw. den Tausch von Fenstern. Andererseits durch technische Maßnahmen, wie den Einsatz smarter Steuerungssysteme, das Installieren von Lüftungsanlagen, die Erneuerung der Haustechnik und den Einsatz erneuerbarer Energien. Im Bestand gibt es meist keine einfachen Antworten, da die Vielzahl von unterschiedlichen Objekten auch sehr individuelle Ansätze fordert. Es ist sinnvoll, bereits in frühen Planungsphasen gemeinsam mit Bauphysik- und Haustechnikbüros auf das jeweilige Objekt abgestimmte Lösungen zu erarbeiten.
Material / Design: Eine weitere wichtige Rolle spielt die Wahl der Materialien und das Design. Es ist mir ein Anliegen, möglichst langlebige Produkte und Materialien zu verwenden. Diese sollten ökologisch produziert sein und keine Schadstoffe enthalten. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, entpuppen sich billige Produkte oft nicht als die günstigere Lösung, wenn diese nach einigen Jahren wieder getauscht werden müssen.
Zuerst planen, dann bauen: Klingt eigentlich logisch, oder? Ich stelle allerdings immer wieder fest, dass, sobald der Entschluss zu Bauen gefällt ist, alles möglichst rasch gehen soll. Änderungen in späteren Planungsphasen oder während des Bauens führen oft zu hohen Mehrkosten und unnötigem Ressourcenverbrauch. Während zu Beginn der Planung noch viele Möglichkeiten offenstehen, reduzieren sich diese während des Projektverlaufs immer weiter. Meine Empfehlung ist daher, sich ausreichend Zeit für die Planungsphase zu nehmen, um die beste Lösung für Ihr Projekt zu finden.
Ressourcen im Bestand: Gerade aus ökologischer Sicht ist mir die Erhaltung des Bestandes ein besonderes Anliegen. In Bestandsgebäuden sind Ressourcen gebunden, die nicht neu produziert werden müssen. Ein sorgfältiger Umgang mit diesen Ressourcen in Form von regelmäßigen Wartungs- und Erhaltungsmaßnahmen kann die Lebensdauer eines Gebäudes erheblich verlängern. Durch gute Planung können auch Leerstände aufgewertet und einer neuen Nutzung zugeführt werden.
Bestandsgebäude befinden sich in bereits erschlossenen Gebieten mit entsprechender Infrastruktur, die genutzt werden kann. Die Nachverdichtung des Bestandes ist ein ganz wesentliches ökologisches Thema um den Flächenverbrauch und die damit einhergehende Bodenversiegelung zu reduzieren.